Daimler Trucks, die Lkw-Sparte des Stuttgarter Autoherstellers, will in Zukunft auch vollelektrische Fahrzeuge anbieten. Vergangene Woche haben die Schwaben den Prototypen eines vollelektrisch fahrenden 26-Tonnen-Verteiler-Lkw vorgestellt, der ab 2020 in Serie gehen soll. Der Mercedes-Benz Urban eTruck ist für den Einsatz im städtischen Verteilerverkehr konzipiert, um dort eine lokal emissionsfreie und lautlose Versorgung mit Lebensmitteln oder anderen Gütern des täglichen Bedarfs zu ermöglichen.
Einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg von elektrisch angetriebenen Lkw auf der technischen Seite ist neben der Reichweite die Gewichtsbilanz – im gewerblichen Einsatz müssen Elektrofahrzeuge auch in diesem Punkt die Performance eines Lkw mit Dieselmotor erreichen. Die Basis des Mercedes-Benz Urban eTruck stellt ein Fahrgestell für den schweren Verteilerverkehr. Die elektrisch angetriebene Achse des Versuchsfahrzeugs wiegt rund 1000 kg, die notwendigen weiteren elektrischen Bauteile summieren sich auf weitere 900 kg. Schwerste Komponenten sind die Batterien inklusive der Befestigungen mit 2500 kg.
Dem Mehrgewicht der Elektro-Komponenten steht der Entfall von Motor, Getriebe, Kardanwelle, Differenzial und Kraftstofftank mit zusammen ca. 2700 kg gegenüber. Daraus resultiert ein Mehrgewicht des Urban eTruck von etwa 1700 kg gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Da die EU-Kommission eine Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts für Lkw mit alternativem Antrieb um maximal eine Tonne befürwortet, wird der Gewichtsnachteil des E-Lkw laut Daimler bereits größtenteils ausgeglichen. Das zulässige Gesamtgewicht des dreiachsigen Solofahrzeugs wird mit diesem Schritt von 25 auf 26 Tonnen steigen, der ursprüngliche Nachteil reduziert sich damit auf 700 kg im Vergleich zu einem vergleichbaren Lkw mit herkömmlichem Antrieb.
Antrieb mit Elektromotoren nahe den Radnaben
Der Urban eTruck wird von einer elektrisch angetriebenen Hinterachse und Elektromotoren unmittelbar neben den Radnaben angetrieben. Die Achse basiert auf dem Typ ZF AVE 130 und ist in ihrer Basisausführung als Niederflur-Portalachse bereits bei Hybrid- und Brennstoffzellen-Omnibussen von Mercedes-Benz im Einsatz. Für den Einsatz im Urban eTruck wurde die Achse umfassend überarbeitet. So findet ein neuer, deutlich höher liegender Achskörper zugunsten einer Bodenfreiheit von mehr als 200 mm Verwendung. Ebenso wurde wegen der für Lkw typischen Rahmenbauweise die Achsanbindung neu konstruiert.
Weiteres Kennzeichen der Achse des Elektro-Lkw-Prototypen ist eine Supersingle-Bereifung im Format 495/45 R 22,5, die speziell auf die Rahmenbreite des Fahrgestells in Kombination mit den radnabennahen E-Motoren ausgelegt ist. Supersingle-Reifen sparen im Vergleich zu herkömmlichen Zwillingsbereifungen Gewicht und ermöglichen daher eine höhere Nutzlast. Die maximal zulässige Achslast der Antriebsachse beläuft sich auf 11,5 t und liegt damit Daimler zufolge auf gewohntem Niveau. Vorder- und Nachlaufachse des Urban eTruck verfügen über eine Einzelbereifung der Größe 315/70 R 22,5.
Volle Durchzugskraft bereits vom Start weg
Die Antriebsmodule des Urban eTruck bestehen aus je einem flüssigkeitsgekühlten hochtourigen Asynchron-Dreiphasenmotor pro Seite. Die Nennspannung beläuft sich auf 400 V, die Maximalleistung auf 2 x 125 kW. Die Elektromotoren erreichen ein maximales Drehmoment von 2 x 500 Nm. In Verbindung mit der Übersetzung erreicht das Drehmoment am Rad 11000 Nm. Während das Drehmoment bei Verbrennungsmaschinen allmählich über die Drehzahl aufgebaut wird, steht die volle Durchzugskraft bei Elektromotoren technisch bedingt bereits aus dem Stand voll zur Verfügung. Die Fahrdynamik des Urban eTruck soll daher laut Daimler mindestens auf dem Niveau vergleichbarer Dieselmotoren liegen.
Aufgrund des elektrischen Fahrzeugantriebs werden beim Urban eTruck sämtliche Nebenaggregate elektrisch betrieben. Das betrifft den Druckluftkompressor der Bremsanlage oder die Lenkhelfpumpe für die Servo-Unterstützung der Lenkung, sowie den Kompressor der Klimaanlage.
Bis zu 200 km Reichweite, Batteriekapazität je nach Einsatzprofil
Die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterien des Mercedes-Benz Urban eTruck ist modular aufgebaut und soll unterschiedliche Einsatzprofile in Bezug auf Reichweite, Nutzlast und Anschaffungskosten ermöglichen. Als Basisbestückung dient ein Batteriepaket aus drei Modulen mit einer Gesamtkapazität von 212 kWh mit einer Reichweite von bis zu 200 km – ausreichend Elektro-Kilometer für eine Tagestour im Verteilerverkehr.
Aufgrund der Konstruktion der Antriebsachse mit radnabennahen Motoren entfällt beim Urban eTruck die Kraftübertragung zur angetriebenen Hinterachse, außerdem steht innerhalb des Rahmens ausreichend Platz für die Batterien zur Vefügung. Neben einer guten Raumausnutzung kommt das auch der Sicherheit zugute: Die Akkus sind in dieser Position den Daimler-Entwicklern zufolge im Falle eines Unfalls bestmöglich geschützt.
Um Gewicht zu sparen, verzichtet der Mercedes-Benz Urban eTruck auf aufwendige bordeigene Ladetechnik. Die Batterien können daher ausschließlich an stationsfesten Ladegeräten im Fuhrpark mit einer Ladeleistung bis zu 150 kW geladen werden, die auch die Vorkonditionierung des Fahrzeugs für eine eine maximale Reichweite übernehmen. Die Verbindung mit der Station wird über den Ladestandard Combined Charging System (CCS) Typ 2 hergestellt.
Komplett leer gefahrene Batterien lassen sich laut Daimler bei einer Stationsleistung von 100 kW in zwei bis drei Stunden vollständig wiederaufladen. Während des Fahrbetriebs findet zudem Rekuperation statt, dabei dienen die Elektromotoren des Urban eTruck beim Bremsen als Generatoren, die die Batterien nachladen. Durch dieses Verfahren werden gleichzeitig die Betriebsbremsen geschont. Die Beheizung des Fahrerhauses erfolgt über den Kühlkreislauf des Triebstrangs, dessen Abwärme genutzt wird. Die Klimatisierung des Fahrerhauses erfolgt durch einen elektrisch angetriebenen Klimakompressor.
Marc meint
Super-Idee von Mercedes-Benz. Gratulation an die Entwickler und Ingenieure!
Endlich ein Hersteller der sich wagt in den zukunft-orientierten Markt der Elektro-LKW Sparte einzusteigen! Es fehlen nur noch LiSo4 Akkus (Lithium-Sauerstoff) oder Graphene-Akkus oder „sehr innovative Akku/Batteriepacks“ um diese innovative Technik zu vervollständigen! Natürlich müsste dann auch noch alles „made in Germany“ sein dazu der Preis konventionnellen Diesel/Benzin Fahrzeugen gleichgestellt sein, was für Mercedes-Benz wegen der Zulieferindustrie aus Fernost ein Problem darstellen dürfte… Aber! Endlich ein Unternehmen dass Nägel mit Köpfen in Sachen E-Mobilität macht, bei aller Euphorie und Mut steht natürlich das teschnische „Know-How“ der Konkurrenz im Vordergrund – aber wenigstens bietet Mercedes-Benz den anderen LKW Produzenten wie SCANIA, MAN, RENAULT (um hier nur einige zu nennen) genug Potenzial in diesen Zukunfts-Markt einzusteigen – man sollte nicht „Urban-Truck draufschreiben“ sondern „Green-Truck“ . Hiermit möchte ich noch einmal den sehr intelligenten Vorstand der Daimler-Benz Gesellschaft hervorheben, da dieses ambitionnierte Projekt bezüglich auch mit sehr hohen Investitionskosten verbunden ist! übrigens sollte Mercedes/die Daimler-Benz AG versuchen mit einer gezielten Palette an Elektro-Limousinen sowie Cabrios und Geländewagen auch den Amis mit Tesla konkurrenzmachen… (Vielleicht wird dies je in naher Zukunft der Fall sein -) MS